geschrieben von Andri Luup // übersetzt von Irja Grönholm
Pilot erzählt von einem Pilotprojekt, das ein Abgeordneter, der auf Stimmenfang aus ist, in die Welt gesetzt hat: Er will in jeder estnischen Stadt eine „Musterfamilie“ installieren, die die traditionellen Werte der Familie verkörpert. Leider ist die Familie seiner Wahl alles andere als vorbildlich.
Toivo, der Familienvater, gibt sich als Pilot aus, ist jedoch derzeit ein arbeitsloser Steward; seine Frau Barbara, eine Blumenverkäuferin, die seichte Familienratgeber schreibt, will sich krampfhaft emanzipieren und verkündet in einem fort, sich von Toivo trennen zu wollen, obwohl sie gerade entbunden hat; die fünfzehnjährige Tochter Lotta, ist in geradezu unnormaler Weise normal; der „schweigende Sohn“, der die ganze Zeit irgendwo auf der Bühne sitzt, steht urplötzlich mit einem Koffer da und verkündet, er sei jetzt flügge und würde gehen.
Nachdem Toivo im Alleingang den Musterfamilienvertrag unterzeichnet hat, wird die ganze Familie mit dem kurzfristig anberaumten Termin der Titelverleihung konfrontiert, es soll ein Medien-Event werden, bei dem alles perfekt auszusehen hat. Toivo rotiert, aber die Familie will nicht recht folgen, außerdem ist das gerade bezogene Einfamilienhaus noch im Bau. Toivo nimmt per Telefon einen Blitzkredit, will „Nägel mit Köpfen“ machen…
Den Gegenentwurf zu Toivos Familie stellt das Ehepaar Herta und Peep dar. Peep ist der Typ des Losers, der unter Hertas Pantoffel steht und seltsamerweise bei einer Inkassofirma arbeitet. Sie sehen nur die Äußerlichkeiten und verkünden, Barbara und Toivo zu beneiden. Es geht sogar soweit, dass Herta Barbara sowie auch Toivo den Vorschlag unterbreitet, für einige Zeit die Ehepartner zu tauschen…
Den Impuls, dieses Stück zu schreiben, erhielt der Autor durch den authentischen Fall, der durch die estnischen Medien ging: ein Mann wollte sein ererbtes Haus mittels Kredit sanieren, konnte die Raten nicht zahlen, das Haus wurde zwangsversteigert, der Mann weigerte sich auszuziehen.
Andri Luup (* 1972 Tallinn) studierte Kunst und Theaterwissenschaften; er arbeitet als Regisseur, Ausstatter, Schauspieler und Autor für Theater und Film. Seit 2008 ist er Dozent für Filmregie. Mit seinen Kurz- und Dokumentarfilme war er zu verschiedenen Festivals eingeladen (Michigan, Bangkok, Teheran, Sofia, Warschau, Cottbus), wo einige seiner Arbeiten ausgezeichnet wurden.
Der Autor/Regisseur zur Uraufführungsinszenierung: „Die Inszenierung wirkt wie ein Animationsfilm, eine Hochgeschwindigkeitsgroteske. Den handelnden Personen fehlt durch das hohe Lebenstempo Zeit zum Zuhören sowie die Gabe, den Anderen zu verstehen. (…) Nur rechtzeitiges Kommen und Gehen, die äußere Form zählt, der Inhalt jedoch fehlt, weil dafür keine Zeit ist. Es ist wie auf einem Flughafen, wo Ankunft und Abflug pünktlich erfolgen müssen, eine Welt, an deren Tempo sich zu gewöhnen, man nur per Befehl erreichen kann.“
Es lesen: Judith Mauthe, Paul Maresch, Stefan Kreißig, Christiane Nothofer, Alexander Gier und Stephanie Maile